Presse

16.07.2015

Der Himmel fängt am Boden an

Rebell voller Lebenslust: Der 88-jährige Glaskünstler und Maler Erwin Eisch zeigt in Distelhausen prachtvolle Arbeiten.

Von Ulrich Kelber, MZ

Pielenhofen. „Der Himmel fängt am Boden an“, sagt Erwin Eisch. Das Irdische, das Menschliche, das Lebendige steht für ihn im Zentrum seines künstlerischen Schaffens. Seine Begeisterungsfähigkeit und seine Vitalität sind ungebrochen, selbst wenn er inzwischen etwas gebeugt geht und recht hager geworden ist. Vor ein paar Wochen hat er den 88. Geburtstag gefeiert. Aber die Hände in den Schoß legen – das gibt es für ihn nicht. So finden sich jetzt bei der Ausstellung in Distelhausen auch einige brandneue Bilder.

„Körperzeichen“ heißt eines dieser Bilder, auf dem ineinander verschlungene menschliche Gliedmaßen wie eine üppige Pflanze zu wuchern scheinen. Aber besonders schön, ja innig ist das Gemälde „Helfende Hände“: Vor einer liegenden Frau mit weit ausgebreiteten Armen steht ein kleines Kind, will neugierig die Welt erkunden. Es muss keine Angst haben, denn die geöffneten Hände der Mutter signalisieren, dass sie alle Gefahren abwehren wird. Empathie strahlt die Szene aus, in der das alte Motiv der Schutzmantelmadonna in einer ganz modernen Form variiert wird.

Die Figur ist in der Malerei zurück
Was auffällt: Die Bilder, die bisher mit skurrilen und phantastischen Elementen angereichert waren, sind ruhiger geworden und stärker auf die Figuren konzentriert. Und statt der impulsiven Leuchtkraft der Ölfarben herrschen gedämpfte Töne vor, denn Eisch verwendet nun gerne Acrylfarben, die einfacher zu handhaben sind.

Wenn Eisch früher sagte, dass es ihm darum gehe, „Abstraktion und Gegenständlichkeit miteinander zu verbinden“, so verkündete er bei der Ausstellungseröffnung in der so wunderbar an der Naab gelegenen Galerie von Carola Insinger mit recht drastischen Worten seine neue Sicht: „Den abstrakten Scheiß haben wir hinter uns gelassen.“ Er freut sich über den Wandel in der Kunstszene, denn es sei „ganz elementar, dass die Figur wieder in die Malerei zurückgekehrt ist“. Von einer wiedergewonnenen „Bodenhaftung“ spricht er.

Hymnen auf das Leben und die Liebe
Um Bodenhaftung ist es Erwin Eisch immer gegangen, schon in den 1950er und 1960er Jahren, als er in den rebellischen Künstlergruppen „Spur“ und „Radama“ aktiv war. Die Entfaltung der Kreativität und die Imagination des Unbewussten mittels einer spontan-gestischen Malweise führte bei Eisch zu opulenten und wilden Bildern, die mit einer bizarren Figuration als ganz unmittelbar die Daseinsfreude zum Ausdruck bringen sollten: emotionsgeladene Hymnen auf das Leben und auf die Liebe.

Aber auf der anderen Seite suchte der Künstler stets auch die kritische und intellektuelle Auseinandersetzung mit akuten gesellschaftlichen Problemen. Zornig prangerte er das üble Treiben der Neo-Nazis an. Mahnend war eine Serie von Vitreographien zur „Kristallnacht“, mit der er an das schreckliche und beschämende Pogrom vom November 1938 erinnerte. In einem Graphik-Zyklus setzte er sich mit der Atomkatastrophe von Tschernobyl auseinander. Und als die Schreckensmeldungen von BSE und Rinderwahnsinn auftauchten, reagierte er darauf mit einer Reihe von Gemälden. Einige davon sind bei der Ausstellung zu sehen, wobei interessant ist, dass Eisch hier auf Elemente von Volkskunst und religiöser Votivmalerei zurückgreift.

Picassos Kopf aus goldglänzendem Glas
Bekannt geworden ist der Maler aus Frauenau jedoch vor allem als Glaskünstler. Auch hier wartet die Ausstellung einigen exemplarischen Arbeiten auf, zurückreichend bis in die 1970er Jahre. Ermutigt durch die Begegnung mit dem amerikanischen Künstler Harvey Littleton, dem Begründer der Studioglasbewegung, hatte Eisch damit begonnen, Glasobjekte zu gestalten, bei denen es nicht mehr um den Gebrauchswert ging, sondern allein um das Ausleben der künstlerischen Fantasie. „Schwarzer Zeigefinger“ heißt eine dieser spielerisch und leicht surreal wirkenden Glas-Skulpturen, die sich vehement abgrenzen von allem Nippes-Kitsch.

Witzig und karikierend sind die Porträtköpfe wie der goldglänzende Picasso-Kopf oder der ganz durchgeistigte Buddha. Sie sind äußerst virtuos gestaltet, fast wie ein Zauberer ging Erwin Eisch mit dem Glas-Material um.

Aktuell und jung geblieben ist die Kunst von Erwin Eisch. Der Mann aus Frauenau kann stolz sein, dass seine Art der Malerei in der neuen Künstlergeneration von heute eine Renaissance erlebt.

Die Ausstellung ist bis 23. August in der Galerie Carola Insinger zu sehen: Freitag, Samstag, Sonntag und an Feiertagen von 14 bis 18 Uhr und nach Vereinbarung.

Quelle: Mittelbayerische Zeitung , Artikel und Fotos

"Helfende Hände“ heißt dieses 2014 entstandene Gemälde von Erwin Eisch. Foto: K. Kelber

Als in den 1990er Jahren die besorgniserregenden Meldungen zu BSE und Rinderwahnsinn auftauchten, schuf Erwin Eisch eine ganze Serie von Gemälden zu diesem Thema. Foto: K. Kelber

Als in den 1990er Jahren die besorgniserregenden Meldungen zu BSE und Rinderwahnsinn auftauchten, schuf Erwin Eisch eine ganze Serie von Gemälden zu diesem Thema. Foto: K. Kelber

Erwin Eisch: „Ego und der schwarze Fleck“, Gemälde von 2002 Foto: K. Kelber

Erwin Eisch: „Ego und der schwarze Fleck“, Gemälde von 2002 Foto: K. Kelber

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