Presse

15.04.2019

Ein Geisha-Zyklus voller Hinter

Günter Kempf zeigt seine neuesten Werke. „Nous sommes nous“ heißt die Bilderschau in vielerlei Variationen und Formaten.

Von Helmut Hein, MZ

Distelhausen. „Nous sommes nous“ heißt die aktuelle Ausstellung von Günter Kempf in der Distelhausener Galerie Carola Insinger. Dort war es zunächst schwierig, zu seinen Bildern vorzudringen. Einfach, weil so viele Leute da waren. Man stand dicht gedrängt Rücken an Rücken. Kempf, ein Populist? Er selbst zeigt sich überrascht. „Vor der Ausstellung plagen einen plötzlich Ängste, dass vielleicht niemand kommt. Und dann …“

Dann zeigt sich, dass Günter Kempf, der einst bei der legendären Künstlergruppe „Warum Vögel fliegen“ ein wenig im Schatten der wortgewaltigen Vordenker und -redner Ulrich Pöppl und Jürgen Huber stand, mittlerweile unbestritten der Ex-Avantgardist ist, der unbeirrt seinen Weg gegangen ist und scheinbar problemlos höchste Qualitätsansprüche mit einer Nähe zum Publikumsbedürfnis verband. Das er freilich nicht nur vorfand, sondern auch entwickelte.

Und er hat immer schon gern in Serien gearbeitet, weil man in einem einzigen Bildunmöglich alles zeigen kann. Jetzt also Geishas, in vielerlei Variationen und allen Formaten, groß in Öl und klein gezeichnet, denn Kempf ist vielseitig. Nur der Bildhauergeht einem naabnah ab. Kempf: „Ich bin faul.“ Darf man das zitieren? Man darf. Und diese Faulheit ist nur ein anderer Name für die Gesetzmäßigkeiten ästhetischer Produktivität. Alles hat seine Zeit. Und die Kettensäge muss eben im Augenblick in ihrer Halterung bleiben.

München-Krimi gab den Anstoß
Wie aber kam es zu den Geishas, die ja den europäischen Vorstellungshaushalt spätestens seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, der Hoch-Zeit des sogenannten Exotismus, beschäftigen? Kempf, stets im Alltag fest verwurzelt, hat einen München-Krimi („nein, kein Tatort“) gesehen und da hing mit einem Mal an einer Zimmerwand ein Geisha-Bild. Das war der Anstoß.

Das Hintergrund-Bild in einem bajuwarischen Fernsehkrimi war aber nur der eine Anfang oder Anstoß für die Geisha-Serie. Der andere liegt vielleicht sogar noch weiter zurück. Da hat Kempf, wie er es gern tut, ein Foto aus einem Magazin ausgeschnitten. Das zeigte eine Geisha und weil es schon alt war und also Patina entwickelt hatte, sorgte es für die nötige Wehmut, die das Zeitvergehen hervorruft und den bewahrenden Schönheitswillen kitzelt. Dieses Bild hängt, von einer Aura umgeben, kleinformatig mitten in der Ausstellung. Und drum herum gruppieren sich, mehrdutzendfach und ikonenhaft, Kempfs Geishas: malstreng und in sich versunken, dann wieder, als ginge es hier um Akte, ihre Kleideröffnend. Es gibt natürlich mittlerweile halbe Bibliotheken füllend unzählige Studien zur Kunst- und Kulturgeschichte der Geisha als Teil der alten Unterhaltungsindustrie Japans. Aber Kempf, der Pop-Art nie ganz fern, interessiert sich vor allem für die Oberfläche. Für die Tiefe soll, wenn Bedarf besteht, der Betrachter sorgen.

Was an Kempfs Kunst auffällt ist, dass sie unbestreitbar berückend schön ist – das darf man inzwischen wieder laut sagen, weil es kein Schimpfwort mehr ist. Und dasssie doch mit Widerhaken versehen ist, so dass sich jeder, der dazu bereit ist, irritieren lassen kann. Kempf produziert in seinem Geisha-Zyklus so etwas Paradoxes wie ein Pandämonium, in dem man sich wohlfühlt. Hat er eigentlich „Im Reich der Sinne“ gesehen? Ja, sagt Kempf sofort, aber das habe bei der Entstehung des Geisha-Zyklus keine Rolle gespielt.

Viele asiatische Gesichter
Dafür dieser Transfer zwischen München und Tokio, der bei der Vernissage dazu führt, dass man erstaunlich viele ferne asiatische Gesichter sieht, die Haare streng zurückgekämmt und zum Zopf gebändigt, die offenbar an diesem Ort bereit sind, nach dem Eigenen zu suchen oder zumindest den Blick der anderen zu studieren.

Und Kempf, der schon immer, in der besten Tradition der Moderne, mit Inserts und Schrift-Applikationen gearbeitet hat, versieht, so der erste Eindruck des Betrachters, viele seiner Arbeiten mit diesem wiederkehrenden „Nous sommes nous“. Die meisten, erwidert Kempf mit mildem Spott? Und verbessert: „Alle“. Mia san mia, auch wenn wir uns weit hinauswagen. Eine sehr sehenswerte Ausstellung in idyllischem Ambiente.

Quelle: Mittelbayerische Zeitung , Artikel und Fotos

„Nous sommes nous“: Unter dieses Motto stellte Günter Kempf (Mitte) seinen Geisha-Zyklus, der derzeit in Distelhausen zu sehen ist. Foto: Sabine Franzl

„Nous sommes nous“: Unter dieses Motto stellte Günter Kempf (Mitte) seinen Geisha-Zyklus, der derzeit in Distelhausen zu sehen ist. Foto: Sabine Franzl

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