Presse

06.12.2023

Ein bayerischer Schwede in der Männerrunde

Neben alten Bekannten zeigt Carola Insinger in der Winterausstellung auch eine interessante Neuentdeckung

Von Michael Scheiner, MZ

Distelhausen. Es ist die alte Männerbande: Matthias Schlüter, Günther Kempf, Sergio Sommavilla aus Südtirol und Helmut Wolf. Dann sind da noch der gebürtige Schrobenhausener Heiko Herrmann mit seinem expressiven Gewirr an kosmischen Explosionen und Farbgewittern, Paul Schinner mit wenigen Zeichnungen und der 90-jährige Pfarrer Josef Roßmaier. Der hat zeitlebens Kunst und Künstler gefördert und im Alter noch einmal begonnen, mit seinen Fotografien, die er auf einfache Weise bearbeitet, Kunst zu machen.

Einer allerdings hat sich zwischen die lustigen Kempf-Tierwelt und sommerlich-schönen Schiffsbilder, die abstrakten Grafiken und tierischen wie menschlichen Figuren Wolfs geschmuggelt, von dem man bislang noch nie gehört, geschweige denn gesehen hat bei Carola Insinger. In deren feiner Galerie ist er ein Fremdling, ein Eindringling, der noch nicht einmal namentlich auf der Einladung zur Winterausstellung erscheint: Fredrik Lindquist heißt er und seine vier ausgestellten Arbeiten fallen sofort ins Auge. Am Eingang, wo es bei der Eröffnung süßen Stollen und leckere Tropfen gibt, stiehlt ein bodenlanger Wandbehang den zwei palavernden Turnschuhträgern von Helmut Wolf regelrecht die Show.

Frauen mit schwarzen Augenhöhlen und runden orangefarbenen Mündern, die wie die Knöpfe auf der Jacke aussehen, tummeln sich auf dunkelgrauem Stoff, der aus 20 Einzelteilen zusammengenäht ist. Sie stehen kopf, schwenken und jonglieren mit Rucksäcken und Handtaschen und wirken trotz ihrer starken, kraftvoll farbigen Ausstrahlung unheimlich und geisterhaft. Lindquist, gebürtiger Schwede, der seit langem in Ingolstadt lebt, wurde kurzfristig in die Runde aufgenommen. „Es ist ein Vorgeschmack auf eine Einzelausstellung mit ihm im kommenden Jahr“, verrät Insinger über den fremden Nachzügler. „Helmut Wolf hat ihn mir empfohlen, ich war sofort von seinen Arbeiten begeistert.“ Der bayerische Schwede macht Holzschnitte, die er farbig auf Stoff druckt. Weil die Platten, in die er schneidet, nicht endlos groß sein können, setzt er seine Bildergeschichten aus mehreren Platten zusammen und vernäht die Stoffstücke mit Wollfäden.

Es sind comicartige, poppig-expressive Bildergeschichten, die Lindquist in ein einziges Bild packt. Voll skurrilen Humors, märchenhaft-wuchernder Fantasie und punkigem Outsiderbewusstsein, können die im zeitgenössischen Diskurs angesiedelten, eigenwilligen Motive auch eine gewisse Unruhe auslösen. Zwei stumme Männer, die vor einem lichten Wald über eine schlauchartige Röhre an ihren Bauarbeiterhelmen zu kommunizieren scheinen, können zum Lachen reizen oder als unheimliche latente Bedrohung erscheinen.

Ziemlich eindeutig dagegen ist Kempfs gezeichneter Privatzoo. „Das ist ein Dachs“, erklärt ein Besucher dem Kind auf seinem Arm, das schon zur nächsten Bleistiftzeichnung mit einem Hasen, einem Papageientaucher und zum Füchslein drängt. An der Wand vis-ávis sind zwei dynamische Motive Heiko Herrmanns dabei den – für sie viel zu – engen Rahmen zu sprengen, stoisch beobachtet von einem typischen, klassisch grundierten Sommavilla-Gesicht aus Terrakotta. Frauen und Männer von winzig klein bis mannsgroß bevölkern die Galerie, tun aber meistens so, als gehe es sie überhaupt nichts an, was um sie herum los ist. Andere Wolf-Figuren, wie das bronzene Mammut oder ein rabenschwarzer Gorilla, tragen ihre Nasen und Rüssel keineswegs so hoch, wie die Abbildungen des Homo sapiens.

Quelle: Mittelbayerische Zeitung , Artikel und Fotos

Ein Werk von Fredrik Lindquist im Ausschnitt: ein Holzschnitt, auf Gewebe gedruckt und vernäht. Foto: Michael Schreiner

Ein Werk von Fredrik Lindquist im Ausschnitt: ein Holzschnitt, auf Gewebe gedruckt und vernäht. Foto: Michael Schreiner

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