Presse
02.11.2009
Verborgene Geschichte am Ort des Friedens
Edgar Pielmeiers Impressionen vom Jüdischen Friedhof in Sulzbürg.
Von Claudia Böckel, MZ
REGENSBURG/DISTELHAUSEN. „Von ganz besonderer bizarrer Eigenart ist der Friedhof auf Bergeshöhe, mitten im Ort gelegen. Die vielen, zum Teil ganz, zum Teil halb in den Erdboden versunkenen, zum großen Teil aber noch recht gut erhaltenen Denkmäler wirken gerade durch ihre Schlichtheit und Einfachheit, aber auch dort, wo man künstlerische Verzierungen in der Aufschrift angebracht hat, geradezu ergreifend.“ Die Rede ist von einem jüdischen Friedhof in einem Oberpfälzer Dorf, in Sulzbürg, Gemeinde Mühlhausen, bei Neumarkt. Die Beschreibung stammt aus dem Jahr 1928, aber bis heute gibt es diesen Friedhof, bis heute beschäftigt er die Gemüter der Besucher und Anwohner ebenso wie die der Wissenschaftler.
Dr. Andreas Angerstorfer von der Universität Regensburg entschlüsselte die nach der umfangreichen Restaurierung der Jahre 2008/09 wieder lesbaren Inschriften, Heide Inhetveen erforschte im heimatlichen Umfeld Zusammenhänge historischer Art und Edgar Pielmeier, Fotograf aus der Pielenhofener Gegend, näherte sich auf der künstlerisch-dokumentarischen Weise an. Unter dem Titel „Hier ist verborgen“ sind seine Schwarz-Weiß-Fotoarbeiten in der Galerie Insinger in Distelhausen (Pielenhofen) bei Regensburg ausgestellt.
Im Rahmen der Ausstellungseröffnung wurde auch ein Buch vorgestellt, in dem Pielmeiers Fotografien Texte von Heide Inhetveen zur Seite stehen, manchmal erklärend, manchmal schlaglichtartig beleuchtend, manchmal zitierend. Buch und Ausstellung, die ab Mitte November auch in größerem Rahmen im Stadtmuseum Neumarkt gezeigt wird, fügen sich sehr gut in die graue Novemberzeit mit den Totenfeiertagen ein, groß war auch das Interesse des Publikums.
Ab 1400 siedelten sich auf Einladung des Adelsgeschlechts der Wolfsteiner jüdische Händler mit ihren Familien in Sulzbürg an, trieben Handel, führten ihre Geschäfte, bauten Wohnhäuser, versorgten als Rabbiner selbst die Reichsstadt Regensburg und legten schließlich mitten im Ort, auf hügeligem Gebiet, den Friedhof an. Der älteste Grabstein datiert von 1656, stammt also aus der Zeit kurz nach dem Dreißigjährigen Krieg, der letzte aus dem Jahr 1938. Insgesamt über 350 Grabsteine stehen bis heute, manche halb versunken in der Erde, nicht mehr vollständig, andere aufrecht und groß und ehemals repräsentativ, viele mit hebräischer Schrift, aber auch, Assimilierung dürfte das Stichwort dafür sein, seit dem 19. Jahrhundert mit Elementen aus der christlichen Grabkultur und Textgestaltung.
Edgar Pielmeier zeigt moosbedeckte Steine, deren Schriftzeichen kaum mehr zu erahnen sind, richtet sein Augenmerk auf das Relief mit den beiden Händen, deren Daumen sich berühren und ein Sinnbild für den aronitischen Segen sind, setzt farbige Flechten auf den Steinen mit digitalen Mitteln in Szene, obwohl die Aufnahmen zum großen Teil mit klassischem Filmmaterial entstanden, das dann gescannt und auf Hahnemühlepapier gedruckt wurde.
Im Licht der unterschiedlichen Tageszeiten und im Gewand der verschiedenen Jahreszeiten zeigen die Fotos mal düstere Schriftzeichen, mal sonnenbeschienene Rosen, mal tanzende Löwen, mal spitze Dolche auf dem Stein eines Ermordeten, mal eine eng zusammenstehende Ansammlung von Grabsteinen, die sich wie eine verschreckte Herde von Schafen unter den Bäumen zusammendrängen.
Pielmeiers Bilder halten den mythischen Charakter des Zustandes vor der Restaurierung fest, wie man ihn erst in 200 Jahren vielleicht wieder erleben kann und den auch Dr. Gustav Rosenstein sowohl mit den gewichtigen Worten Salomos als auch mit eigenen Kindheitserinnerungen an diesen eigenartigen, außergewöhnlichen Begräbnisplatz heraufbeschwörte.
Galerie Carola Insinger, Distelhausen 1, Pielenhofen; geöffnet Sa., So. und Feiertag 14 bis 18 Uhr und nach Vereinbarung
Quelle: Mittelbayerische Zeitung , Artikel und Fotos
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